Reisen zur „falschen“ Jahreszeit
Im Winter ans Nordkap
ORF.at/Gabriele Greiner
66° 33′ 55″ - Über den Polarkreis zu fahren hätten wir uns doch etwas spektakulärer vorgestellt. Die aufgemalte Markierung konnte man im Dunkeln und unter dem Schnee nicht ausmachen. Sie ist aber auch bei Sonnenschein trügerisch, rückt die imaginäre Linie doch Jahr für Jahr um etwa 14 Meter gegen Norden. Ein großer Teil der Fahrt von Wien ans nördlichste Ende Europas lag damit hinter uns - und vor uns, in der Dunkelheit, der wohl spannendste Teil.
Fünf Länder in fünf Tagen
Warum fährt man ausgerechnet im Winter in den hohen Norden? Den Anstoß dazu hatte eine einfache Frage gegeben: „Und, was macht ihr so zu Silvester?“ Wieder ein neues Jahr und wieder nichts geplant für den großen Rutsch. Kein Schnee weit und breit, der zum Jahreswechsel auf einer Skihütte einlädt, und die Knallerei in der Stadt geht zunehmend auf die Nerven. Irgendwie wurde klar: Es braucht dringend ein Abenteuer. Etwas Außergewöhnliches. Mit viel Schnee. Und wenigen Menschen. Warum nicht gleich ans Nordkap fahren?
Schneeketten und Schlafsack
Auf offiziellen Seiten wird betont, dass im Winter die Straße zum Nordkap nur per Konvoi zu befahren ist. Der norwegische Straßendienst hat dafür strenge Regeln aufgelistet. So darf nur eine beschränkte Zahl an Autos mitfahren, und die Fahrzeuge werden genauestens auf ihre Winterausrüstung hin überprüft. Jeder Autofahrer muss eine Taschenlampe, ein Seil, Eiskratzer und Schaufel griffbereit haben, das Auto darf zu keiner Zeit verlassen und das Handy nicht benutzt werden, um das Netz nicht zu überlasten.
Bei so vielen Vorgaben steigt der Respekt vor der Aufgabe. Und um ja nicht im entscheidenden Moment zu schwächeln, wird aufgerüstet. Das Auto wird noch vor Reisebeginn mit nagelneuen Winterreifen ausgestattet, was sich als gute Entscheidung herausstellen wird. Zudem werden zu den vier Schneeketten (weil Allrad) noch Schlafsack und Isomatte in den Kofferraum gepackt. Auch wenn eine Nacht im Auto vielleicht romantisch ist, wird am jeweiligen Etappenziel ein Hotel vorgebucht - bevorzugt mit Fitnessraum, um die Muskeln nach den langen Stunden im Auto etwas zu reaktivieren.
Auf den ersten 1.200 Autobahnkilometern hält sich das Abenteuer in Grenzen. Nach einer Übernachtung in Würzburg haben wir die längste Etappe vor uns. Über Hamburg bzw. Puttgarden, wo wir die Fähre nach Dänemark nehmen, geht es weiter Richtung Kopenhagen. Oder besser, unter Kopenhagen hindurch.
Wo das Meer eine Brücke ausspuckt
Kurz vor dem Tagesziel Malmö in Schweden führt die Straße bei Kopenhagen zunächst vier Kilometer durch den Drogdentunnel, bis man quasi mitten in der Meerenge zwischen Dänemark und Schweden wieder auftaucht.
Das Highlight auf der 860 Kilometer langen Etappe ist zweifelsohne die Fahrt über die Öresundbrücke, die mit ihren 7,8 Kilometern seit 2000 Dänemark und Schweden verbindet. Sie ist die weltweit längste Schrägseilbrücke für kombinierten Straßen- und Eisenbahnverkehr. Die Fahrt über die eine Milliarde Euro teure Brücke ist spektakulär, wenn auch nicht ganz billig. Für Pkws kostet die Überfahrt 50 Euro, mit Wohnwagenanhänger 100 Euro.