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Julia Ortner, ZIB 2-Redakteurin , 13.5.

Das Leben nach Hans-Peter Martin

Sich hochdienen, immer schön brav sein, dann wird man vielleicht was: Das ist die klassische Karriere alten Zuschnitts, die wir ja heute noch immer bei den etablierten Parteien beobachten können. Oder aber, man trifft auf einmal jemanden, der nicht ins „System“ gehört, der eine charismatische Figur ist, der Geld oder Einfluss hat – und macht seinen Weg über diese Person. Also Politikerin, Politiker per Zufall. Wie Angelika Werthmann vom BZÖ und Martin Ehrenhauser von „Europa anders“, die wir heute in der ZiB2 porträtieren.

Ein Phänomen der kleinteiliger werdenden Politiklandschaft, das wir zuletzt hierzulande bei Frank Stronach sehen konnten. Und davor eben bei Hans-Peter Martin, Branchen-Spitzname HPM. In einem Punkt gleicht die Politiker-im-Schnellkurs-Karriere allerdings der von Durchschnittsfunktionären: Man muss sich den autokratischen Führungsfiguren anpassen, also nicht gegen die Spitze aufmucken, sonst ist man auch schnell wieder weg aus der Politikwelt.

Werthmann und Ehrenhauser haben 2009 im Team von HPM erlebt, wie das geht, plötzlich Politiker. Die Philologin und der Wirtschaftsabsolvent sind bei der EU-Wahl vor fünf Jahren dank tatkräftiger publizistischer Unterstützung der „Kronen Zeitung“ ja Teil des Erfolgsprojekts HPM, man erreicht knapp 18 Prozent der Stimmen. Doch dann der Alltag in Brüssel, da passiert dann recht schnell, was gerne passiert, wenn Strukturen fehlen, wenn es eine allmächtige Führungsperson gibt, wenn nur diese Person alle Jobs vergibt.

Hans-Peter Martin selbst sieht die Probleme von damals mit seinen Ex-Kollegen Werthmann und Ehrenhauser ganz anders. „Ich bin auf zwei Opportunisten hereingefallen, die Parteiverrat begangen haben. Das ist es, was ich mir vorwerfen muss“, sagt er heute nach Lektüre dieses Blogs.

Werthmann verkracht sich schon nach einem Jahr mit Martin wegen intransparenter Parteifinanzen, man trennt sich. Die Politikerin, Schwerpunkt Frauenrechte, ist jetzt Einzelkämpferin, ab 2012 zumindest als Teil der europäischen Liberalen-Fraktion. Und nur ein weiteres Jahr später überwirft sich auch Ehrenhauser mit seinem Chef, es geht wieder um finanzielle Unklarheiten, diesmal bei der Wahlkampfkostenrückerstattung. Und auch Ehrenhauser beschäftigt sich von da an in Brüssel nur mehr als Einzelgänger mit Datenschutz-Fragen.

Eine Suche rechts und links

Also zwei Politiker per Zufall auf der Suche nach Neuorientierung – die eine sucht sie rechts bei Jörg Haiders Rest-BZÖ, der andere links beim Wahlbündnis „Europa anders“, das ist ein eigenwilliger Zusammenschluss aus Piraten, KPÖ und der Kleinpartei „Der Wandel“. Werthmann konzentriert sich im Wahlkampf interessanterweise auf die bürgerliche Konkurrenz von den Neos und versucht es erst gar nicht bei den ehemaligen HPM-Wählern. „Ich bin immer meinen progressiv-bürgerlichen Werten treu geblieben“, sagt sie. Ehrenhauser positioniert sich als eine Art EU-Robin-Hood, mit Freiluftaktionen auf Österreichtour. „Wir setzen auf Aktionismus – aber mit Inhalt“, sagt er.

Jenseits der Ideologie haben die beiden ein gemeinsames Problem: Kein Rückhalt in einem großen Parteiapparat, aber man will den Sprung ins dauerhafte Berufspolitikerleben noch irgendwie schaffen. Wer Politiker wie Angelika Werthmann und Martin Ehrenhauser als Opportunisten bezeichnet, sollte aber vielleicht nicht vergessen, was solche Leute in der Politik auch riskieren. Nach dem berauschenden Gefühl plötzlich Politiker nämlich die prosaische Erkenntnis: Plötzlich wieder Normalbürger.

Und mehr über Angelika Werthmann und Martin Ehrenhauser erfahren Sie heute im ZiB2-Doppelporträt. Abschließend sind die beiden live zu Gast bei Tarek Leitner .